Interview mit dem neuen Botschafter Valtteri Hirvonen

Valtteri Hirvonen hat am 1.9.2021 sein Amt als Botschafter von Finnland in der Schweiz und in Liechtenstein angetreten. Unsere Praktikanten Emilia Mehtonen und Jaakko Havela haben den neuen Botschafter zu seinem bisherigen Werdegang und seinen Erwartungen für die nächsten vier Jahre befragt.

Wer bist du und woher kommst du?

Ich heisse Valtteri Hirvonen und stamme aus Nord-Karelien, geboren wurde ich aber in Savonlinna.

 

Wie war dein bisheriger Werdegang?

Meine berufliche Laufbahn ist insgesamt sehr abwechslungsreich verlaufen: Ich fing 1988 beim Aussenministerium an, wobei ich dort bereits im Sommer zuvor ein Praktikum absolviert hatte. Bevor ich hierher kam, hatte ich in fünf verschiedenen Abteilungen des Aussenministeriums gearbeitet, zuletzt als Leiter für Berufliches Wohlbefinden. Im Ausland war ich sowohl in Canberra, Mexiko-Stadt, Warschau, Tokio als auch in Pjöngjang stationiert gewesen. Als Botschafter war ich zuvor in Reykjavik tätig. Bern ist also mein siebter Auslandsposten und das zweite Mal in der Funktion als Botschafter. Während meiner Laufbahn habe ich mich also nicht auf etwas Bestimmtes spezialisiert, vielmehr bin ich eher ein  Generalist gewesen. Alles in allem war es so vielseitig und interessant, dass ich keinen einzigen Tag meiner Laufbahn eintauschen würde!

 

Wie war es, in Pjöngjang zu arbeiten?

Es war eine einmalige Gelegenheit, ein Land zu sehen, das vom Rest der Welt fast völlig isoliert ist. Die Vertretung in Nordkorea war der finnischen Botschaft in Peking unterstellt, und ich war deren einziger entsendeter Mitarbeiter vor Ort. Als diplomatischer Vertreter Finnlands hatte ich auch Zugang zur Führung des Landes.

Die Arbeit dort war in vielerlei Hinsicht aussergewöhnlich, war es doch im Alter von 26 Jahren auch mein erster Auslandsposten. Unsere Wohnung befand sich über dem Büro, und zum Gelände gehörte auch ein grosser Garten mit einem Saunagebäude. Das Leben in Pjöngjang war natürlich in jederlei Hinsicht stark begrenzt: angefangen von der Einschränkung der Bewegungsfreiheit bis hin zur Beantragung eines Exit-Visums, wenn man das Land verlassen wollte. Einmal im Monat gab es eine Kurierfahrt nach Peking, womit auch Lebensmittel beschafft wurden, die in Nordkorea nicht erhältlich waren. Mit der Zeit gewöhnte man sich aber an dieses eingeschränkte Leben.

Ich bin übrigens der letzte noch aktive Beamte des finnischen Aussenministeriums, der einen Auslandseinsatz in Pjöngjang absolviert hat. Was Nordkorea betrifft, repräsentiere ich also das institutionelle Gedächtnis des Ministeriums!

 

Woher stammen deine guten Deutschkenntnisse?

Mein Vater arbeitete seinerzeit bei der Fluggesellschaft Finnair. 1965 zogen wir mit der ganzen Familie nach München, wo er eine Stelle als Regionalleiter der Finnair bekommen hatte. Insgesamt lebten wir sechs Jahre in München, zwei Jahre in Köln und sechs Jahre in Frankfurt. Ich habe also 14 Jahre lang in Deutschland gelebt und habe bis zum Abschluss des Gymnasiums deutsche Schulen besucht.

 

Wie verlief die Rückkehr nach Finnland nach den in Deutschland verbrachten Jahren?

Ganz ausgezeichnet: Wir kehrten 1979 nach Finnland zurück, und nach meiner Rückkehr besuchte ich ein Jahr lang die Deutsche Schule in Helsinki, wonach ich sowohl finnische als auch deutsche Maturitätszeugnisse erhielt. Ziemlich bald nach meiner Rückkehr nach Finnland traf ich dann auch meine heutige Frau Katrina. 

 

Wie verbringst du deine Freizeit?

Ich habe zwei Hobbys, die ich liebe: Motorradfahren und Bäume züchten. Im Alter von 15 Jahren packte mich das Motorradfieber, und so besitze ich heute gleich mehrere Motorräder.

Vor gut zehn Jahren entdeckte ich die faszinierende Welt der Botanik und verfüge jetzt bei meinem Ferienhaus in Finnland über mein eigenes kleines Arboretum, wo 42 unterschiedliche Baumarten wachsen. Die Baumzucht mache ich nicht für mich selbst, sondern vor allem für meine Kinder und Enkel, die dann in Zukunft einen schönen und artenreichen Wald bewundern können.

 

Wie hast du die ersten zwei Wochen in deinem neuen Amt erlebt?

Ich würde sie als sehr spannend bezeichnen: Meetings und Besuche im Zusammenhang mit dem Swiss Medtech Day von letzter Woche, an dem Finnland Gastland war, haben mich natürlich auf Trab gehalten. Darüber hinaus habe ich bereits viele meiner Kollegen getroffen und war zu Besuch beim EDA (Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten), um mich vorzustellen. Ich muss sagen, dass mir ein sehr positiver Empfang bereitet wurde!

Das anhaltende Sommerwetter war ebenfalls sehr erfreulich. Zusammen mit Katrina sind wir bereits auf Wochenendausflügen im Emmental und im Berner Oberland gewesen.

 

Was für ein Bild hast du von der Schweiz?

Ein sehr positives. Die Schweiz ist ein modernes, demokratisches Land und in vielen Bereichen nimmt sie eine Vorreiterrolle ein. Sie ist sowohl in sozialer als auch in technischer Hinsicht fortschrittlich. Während meiner gesamten diplomatischen Laufbahn war ich denn auch stets der Ansicht, dass die Schweiz Finnland in Vielem sehr ähnlich ist.

 

Was sind deine Erwartungen bezüglich der kommenden vier Jahre?

Ich gehe davon aus, dass sich die Beziehungen weiterhin entwickeln und vertiefen werden. Ich hoffe auch, dass ich meinen Teil dazu beitragen kann, um Finnland in der Schweiz bekannter zu machen. Das wird kaum grössere Schwierigkeiten bereiten, da Finnland in der Schweiz bereits schon jetzt ein gutes Image hat. 

Auf einer höheren politischen Ebene erwarte ich nun, da die Corona-Pandemie sich langsam auf den Rückzug macht, vermehrt die Aktivierung von zwischenstaatlichen Besuchen untereinander. Ich hoffe natürlich auch, dass die Schweizerinnen und Schweizer nach der Corona-Zeit erneut die touristischen Möglichkeiten Finnlands entdecken werden.

 

Wie siehst du die Beziehungen zwischen Finnland und der Schweiz? Gibt es Bereiche, wo die guten Beziehungen genutzt werden könnten?

Die Beziehungen sind sehr gut, und ich konnte feststellen, dass Finnland und die Schweiz einander viel zu bieten haben, zum Beispiel im Bereich der Bildung. Finnische Bildungsinstrumente und -lösungen könnten für den Schweizer Markt von Interesse sein, Finnland wiederum könnte vom ausgezeichneten Berufsbildungssystem in der Schweiz profitieren. Auch die Digitalisierung, bei der Finnland über ein solides und umfassendes Know-how verfügt, könnte ein fruchtbarer Bereich für die künftige Zusammenarbeit sein.

 

Wie läuft es mit Schweizerdeutsch?

Ich hatte angenommen, dass es einfacher sei. Im Laufe der Jahrzehnte bin ich mehreren Schweizern begegnet, von denen ich dachte, dass sie Schweizerdeutsch sprächen, das war aber nur Hochdeutsch mit einem Schweizer Akzent! Da steht mir also noch eine harte Aufgabe bevor.   Schweizerdeutsch hört sich aber gut an, und ich übe nun praktisch jeden Tag mein Hörverständnis, indem ich das (Deutsch-)Schweizer Fernsehen aktiv verfolge. Meine guten Deutschkenntnisse werden mir sicherlich dabei helfen, es rasch verstehen zu lernen.