"Lieber von den Freunden abhängig"

Die Welt verändert sich in einer noch nie dagewesenen Weise. Der illegale militärische Einmarsch Russlands in der Ukraine hat fast alle europäischen Länder dazu veranlasst, ihre Sicherheitslage und -politik neu zu bewerten. Dazu gehört auch Finnland, das im April 2023 Mitglied der NATO wird.

Botschafterin Nina Vaskunlahti beim Eingang des Bruno Kreisky Forums.
Botschafterin Nina Vaskunlahti beim Eingang des Bruno Kreisky Forums.

Botschafterin Nina Vaskunlahti nahm am 25. September auf Einladung des Bruno-Kreisky-Forums an einer Diskussion über die Auswirkungen der NATO-Mitgliedschaft auf die Außen- und Sicherheitspolitik Finnlands teil. Eva Nowotny, Vizepräsidentin des Bruno Kreisky Forums, und Wolfgang Mühlberger von der CMI/Martti Ahtisaari Peace Foundation ebenfalls an der Diskussion teil.

Botschafterin Vaskunlahti beschrieb zunächst den Weg Finnlands zur NATO-Mitgliedschaft. Wie Österreich wurde auch Finnland 1995 Mitglied der EU. „Das war auch für mich eine sicherheitspolitische Entscheidung“, sagte Vaskunlahti und fuhr fort: ‚Mit der EU-Mitgliedschaft haben wir die Neutralität aufgegeben und sind militärisch bündnisfrei geworden‘. Lange Zeit war die NATO-Mitgliedschaft nur eine Option, die von der Mehrheit der Bevölkerung nicht unterstützt wurde. Seit 2014 ist Finnland ein NATO-Partnerland.

Die geografische Lage Finnlands spielt in der Sicherheitspolitik des Landes eine große Rolle. Finnland hat eine starke Landesverteidigung. Die Wehrpflicht wurde im Gegensatz zu vielen anderen Ländern nie abgeschafft, die Reservekräfte umfassen rund 870 000 Mann. Finnland ist auch ein Küstenstaat, ähnlich einer Insel. 90 % unserer Exporte gehen über die Ostsee, wir sind von anderen Ländern abhängig, aber „wir wollen von Freunden abhängig sein“, so Vaskunlahti.

Putins Rede im Dezember 2021, in der Russland seinen Wunsch äußerte, das Recht anderer Nachbarländer auf unabhängige sicherheitspolitische Entscheidungen einzuschränken, ließ Finnland erschaudern – es war wie ein ausbrechender Vulkan. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022 stellte für Finnland und Schweden einen Wendepunkt dar. Eine militärische Bündnisfreiheit würde nicht mehr ausreichen. Die Bedrohungswahrnehmung der politischen Entscheidungsträger änderte sich radikal.  Unser Sicherheitsumfeld hatte sich grundlegend verändert.

Mit der NATO-Mitgliedschaft sind wir dort, wo wir sein wollen: ein Mitglied des westlichen Bündnisses. Die Beziehungen zu Russland bewegen sich auf einem niedrigen Niveau. Finnische Unternehmen haben sich aus Russland zurückgezogen.  Im Moment gibt es mit Russland wenig zu besprechen. Gleichzeitig ist es aber wichtig, Sprachkenntnisse und Kanäle für den Fall einer Opposition aufrechtzuerhalten. Unsere geografische Lage wird sich nicht ändern.

Text: Petra Hedman